Wein auf dem Holzweg

“Naa, an Spanier mog i ned und Barrick mog i a ned!” Meine Güte habe ich das beim Verkaufsgespräch schon oft gehört... Mich wurmte es dann innerlich, weil „das Barrique“ so ab zu pauschalisieren davon spricht, dass man gar keine Ahnung davon und in der Konsequenz sehr wenig Ahnung von Wein hat. Aber erzähl das mal einem „anspruchsvollen“ Kunden. Darum jetzt dieser Blogbeitrag.
Wein auf dem Holzweg

Wein im Holz – seit wann?

Wein und Holz, insbesondere Eichenholz, sind schon ziemlich lang miteinander verbandelt. Und wer die Anfänge irgendwelcher Geschichten in Europa immer in Rom oder Griechenland sucht, muss leider enttäuscht werden. In der Antike bemühte man Amphoren aus Ton oder Terrakotta zur Aufbewahrung des Weins. Da die Römer in den keltischen, beziehungsweise germanischen Raum vordrangen und überall dort wo sie ankamen Weinrebe anpflanzten (glücklicherweise musste man dann an der Mosel keinen Met mehr trinken), brachten sie die Weinreben in die Nähe großer Eichenwälder nördlich der Alpen. Wer dann genau auf die Idee mit den Holzfässern für Wein kam, wissen wir nicht genau. Allerdings ließ es sich nicht lange auf sich warten, hatte man doch einen wunderbaren Vorteil gegenüber der Amphore erkannt. Holzfässer eignen sich für den Transport auf Karren oder Schiffen viel besser und ihr Fassungsvolumen kann deutlich größer sein. Vielleicht halten sie nicht so lange, sind aber dafür nicht so anfällig und leichter zu reparieren. Erstes erhaltenes Zeugnis davon ist das bekannte Neumagener Weinschiff im Rheinischen Landesmuseum zu Trier. Auf dieser Grabplastik sind Holzfässer zu erkennen. Man datiert dieses Kunstwerk ins beginnende dritte Jahrhundert nach Christus. Kurz und gut, seit dieser Zeit also (2.-3. Jahrhundert nach Christus) kommen Weine ins Holzfass.

Größen und Bezeichnungen

Was genau ist ein Barrique? Ab wann sprechen wir vom kleinen bzw. großen Holz? Da der neuzeitliche Weinbau von Frankreich aus in die Welt getragen wurde, sind auch die meisten Fachwörter aus dem Französischen. Der berühmteste Vertreter der Holzfassfamilie ist das Barrique. In Bordeaux nennt man so das 225 Liter große Holzfass. Die burgundische Variante hört auf den Namen piéce, ist ein bisschen gedrungener in der Form und fasst 228 Liter. Diese Standardmaße haben sich in der Kellerwirtschaft als sehr praktisch zu handhaben erwiesen und deswegen durchgesetzt. Ein leeres Barrique kann von einem kräftigen Menschen alleine getragen werden. Nicht sehr weit... die Dinger sind schon sehr schwer.

Viele Weingüter benutzen das Wort Barrique, haben dann aber doch lieber 300 oder 500 Liter große Fässer. Auch 600 Liter Fässer habe ich häufig gesehen, bei uns in Deutschland unter dem Namen Halbstück bekannt. Vielleicht ist jemandem aufgefallen, dass das frz. Wort pièce auf Deutsch Stück heißt. Allerdings ist ein Deutschland das Stückfass etwas größer. Im Regelfall 1200 Liter. Nicht selten sind große Holzfässer auch mal 5000 Liter groß und noch größer. Zusammenfassend kann man sagen: Ab 1000 Liter würde ich vom Großen Holz sprechen, drunter eher vom kleinen Holz (225-600 Liter). Dazwischen gibt es kaum was. Also ein 800 Liter Holzfass kommt selten vor. Und kleiner als Barrique gibt’s auch selten, außer beim Süßwein wie zum Beispiel dem Vin Santo aus der Toskana (100 und 150 Liter sieht man da häufig). Aber letztendlich kann sich alles maßgeschneidert wünschen bei den Fassbauern, daher sag niemals nie... Ganz besonders en vogue sind gerade so 2000 Liter große Holzfässer der Marke Stockinger. Dieser Tiroler Fassbauer erfreut sich vieler Aufträge, irgendwas macht er wohl ziemlich richtig, da Weingüter Preise bezahlen die für einen Kleinwagen aufgerufen werden, wie man immer hört.

Verwendung

Holzbehälter kann man zum Ausbau (frz. Élévage) und auch schon zur Vergärung des Mosts benützten. Natürlich ist die Gärung im Barrique oder im Holzgärständer ein eigenes Kapitel für sich. Besonders im Weißweinbereich prägt es die Stilistik des Weins im erheblichen Maße. Aber die folgenden Betrachtungen beschränken sich auf den Ausbau des Weins nach dem Gären und vor dem Abfüllen.

Je größer das Holzfass desto niedriger der Einfluss des Gebindes auf den Wein. Klar oder? Volumen zur Oberfläche nimmt exponentiell zu bei größeren Fässern. Die großen Holzfässer sind auch zur häufigen Verwendung gedacht. Alte Fuder werden dann erst aussortiert, wenn sie kaputt oder zu stark verunreinigt sind. Jahrzehnte bis Jahrhunderte lang können große Holzfässer immer wieder benutzt werden, wenn man sie gut pflegt. Entscheidend ist hier aber nicht nur die Aromatik, die das Holz an den Wein abgeben kann. Holzfässer sind oftmals nur das Medium zur Zeitüberbrückung damit der Wein in Ruhe reifen kann. Hierbei spielt auch die Aufnahme von winzigen Mengen an Luft eine Rolle. Holz transpiriert. Diese Mikrooxidation führt zu stabileren Weinen. Eine klare, süße Frucht wird zwar verloren, aber der Wein wird die Zeit besser überstehen und andere Aromen entwickeln. Farbstabilisierung beim Rotwein spielt auch eine Rolle, den chemischen Prozess zu erklären würde hier zu weit führen. Aber ganz wichtig ist der Einfluss auf die Textur. Neue Holzfässer geben auch sogenanntes Lignin ab. Das ist vereinfacht gesagt Holztannin und verstärkt die Menge an Gerbstoffen im Wein.

Auch die Dauer des Ausbaus spielt eine Rolle. Je länger desto mehr Einfluss. Klassischer Barriqueausbau dauert so um die 12-18 Monate. Der Jahreszyklus schreibt ja auch vor, dass irgendwann die Brühe auf den Markt muss, auch damit Platz für die neue Ernte geschaffen wird. Natürlich gibt es auch die 5 Jahre lang ausgebauten Gran Reservas aus der Rioja. Aber auch da kommt man auch irgendwann in einen Kellerrhythmus. Man findet seine Formel und trotzdem ist Holzausbau Moden und persönlichen Vorlieben unterworfen. Daher ein sich immer veränderndes Spielfeld.

Zusammenfassend kann man behaupten, dass der Geschmack und die Aromatik, die ein Holzfass dem Wein dazugeben kann, den Wein qualitativ anheben kann und ihn in seiner Komplexität erweitern kann. Muss er aber nicht, denn wer nicht mit Holz umgehen kann, überstülpt die gute Frucht mit Holzaromatik und verschlimmbessert sein Produkt. Gut gemeint ist nicht immer gut.

Holz im Wein – warum?

Mit sogenannten Holzchips kann man verblüffende Ergebnisse erzielen. Versierte Verkoster werden getäuscht. Fässer sind teuer und viele Kunden mögen Rotweine mit Barriquearomen wie Kakao, Pfeffer, Vanille und Zedernholz. Man ergänzt die Aromatik des Weins im Stahltank ohne dass die Kosten explodieren. Allerdings hat die ganze Geschichte einen fundamentalen Nachteil. Die Mikrooxidation fehlt... (auch die könnte man anders hinbekommen). Wie ein Teebeutel, den man auslaugt. Auch Holzstäbe werden verwendet. Weine mit solchen önologischen Spielereien finden sich in einem preissensiblen Segment wieder. Sie werden zwar aromatisch den Holzfassausgebauten ähnlich sein, aber nicht so gut reifen können wie das „Original“. Aber auch hier gilt: Wein ist ein landwirtschaftliches Produkt, das kellertechnisch bearbeitet werden kann. Was die Zukunft mit sich bringen wird, kann man auch hier nicht mit Gewissheit sagen.

Die Wiederverwendung

Jetzt wird das ganze Thema noch komplexer: Ein gutes neues Barrique kostet so 600 bis knapp 1000 Euro netto. Ein Wein der 100% neues Holz aufweist muss also vollständig in neu erworbenen Barriques reifen. (Preislich macht das übrigens 3 Euro netto pro Flasche nur Materialkosten. Der Lager und Arbeitszeit nicht mit eingerechnet) Der nächste Jahrgang dann auch. Was macht man mit den ausgedienten Fässern? Wiederverwenden natürlich. Also erstmal ausgiebig putzen und dann eine Wasser-Schwefelgemisch rein, damit da keine mikrobakteriellen Prozesse starten. Also dann nochmal einen Wein rein. Der bekommt dann aromatisch nicht mehr so viel wie beim ersten Mal. Wir sprechen da von Zweitbelegung. Auch Dritt und Viertbelegung. Allerdings gibt es dann irgendwann keinen aromatischen Einfluss mehr.

Gebrauchte Barriques sind aber total im Trend. Erstens kosten sie weniger, zweitens kann man dann den sogenannten Neuholzanteil sehr gut dosieren. Je nach Jahrgang verträgt ein Wein auch mehr oder weniger Neuholzaromatik. Man hat zum Beispiel 1000 Liter Wein aus einer Lage mit einer Rebsorte vergoren. Davon kommt die Hälfte in neue Fässer und die andere Hälfte in ein Jahr alte Fässer zur Zweitbelegung. Vor dem Abfüllen werden die Fässer wieder verschnitten. Auf diese Weise verhindert man einen zu hohen Holzgeschmack. Dies und alle nur erdenklichen Variationen bietet ein guter Keller dem Önologen um den Geschmack zu gestalten. Voraussetzung ist aber eine gute Hygiene. Denn dieses Stichwort war für die moderne Kellerwirtschaft eine sehr wichtige Vokabel. Das neue Barrique hat seinen Siegeszug erfahren, weil gut ausgebildete Önologen gesagt haben: Raus mit den alten Fässern! Neues Barrique zum Ausbau, achtet auf die Hygiene!

Holzsorten

Woher kommt das Holz aus denen die Holzfässer hergestellt werden. Meistens aus Eichenwäldern, die in folgenden Ländern zu finden sind: Frankreich, USA, Ungarn, Russland, Kroatien, Österreich und auch Spanien. Die Aufzählung hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit, basiert sich aber auf der langjährigen Erfahrung dessen, was man so an Wein auf dem europäischen Markt wiederfindet. Auch in Deutschland erfreut sich beispielsweise der Pfälzer Wald an großen Eichenbeständen. (Und viele französischen Küfer holen sich das Holz und vermarkten es als frz Eiche... aber pssst!) Und hier und da findet man auch hin und wieder ein großes Kastanienholzfass, aber diese Praxis war früher häufiger zu finden.

Zurück zur Eiche: Grundsätzlich werden zwei Arten von Eichenhölzern unterschieden. Das der europäischen Stieleiche quercus robur und das der amerikanischen Weißeiche quercus alba. Die amerikanische wird größer, also um genau zu sein, wächst sie schneller und ist damit weicher und großporiger als die europäische. Der fundamentale Unterschied ist aber: Sie ermöglicht es die Dauben quer zum Stamm zu sägen. Günstig, aber mit rauer Oberfläche und vielen zersägten Zellenstrukturen. Bei quercus rubor werden die Daumen längs zum Stamm, also in Wachstumrichtung abgespalten, was eine glattere und weniger saugfähige Oberfläche mitbringt. Aromatisch ergeben sich weichere und süßlichere Einflüsse beim amerikanischen Holz auf den Wein. Kokosnoten beim Rioja, sollen vor allem aus der amerikanischen Weißeiche stammen. Elegante Vanille, Pfeffer und Gewürze aus den hochwertigen französischen Wäldern. Einen entscheidenden Einfluss auf die aromatische Ausprägung der Holzfässer ist das Toasting.

Die Toasting

Diese Dauben werden dann Monate bis Jahre getrocknet und dann über Feuer oder Dampf gebogen und zusammengefügt. Dabei erfolgt auch das sogenannte Toasten, also wie stark wird das Holz ausgeräuchert. Von leichter über mittlerer bis zum kräftigen Toasting mit Zwischenstufen hört man die Önologen sprechen. Leichte und mittlere Toastung bringt würzige Aromatik, starke Toastung akzentuiert dann natürlich Aromen wie Tabak, Rauch Eukalyptus. Verschiedene Rebsorten vertragen sich besser mit der einen oder anderen Ausprägung. Manchmal ist ein Wein so extraktreich, dass er viel Holz „wegschlucken“ kann und manchmal hat man das Gefühl auf verkohlten Briketts zu kauen. Es gibt keinen Königsweg. Weinmacher auf der ganzen Welt tasten sich bei diesem Thema nach try and error Methodik heran, oder sie folgen regionaltypischen Gewohnheiten, oder der Önologe des Vertrauens entscheidet halt.

Was steht auf den Etiketten?

Auf den Etiketten lesen wir am häufigsten französische Eiche oder amerikanische Eiche. Die Spanier nehmen für traditionellen Stil amerikanisches Holz und moderne Weine müssen französisches Holz ausweisen. Aber sie mischen das auch sehr gerne. Bei den Italienern ist es dann entweder französische Eiche oder die so genannte slawonische Eiche, gerne dann aber in großen Holzfässern. Jaja, genau! Slawonien nicht Slowenien. Slawonien ist eine historische Regionsbezeichnung für die -wer hätte es gedacht- sehr stark bewaldete Region Ostkroatiens zwischen Südungarn und Nordbosnien. Italienische Weingüter verwenden traditionell große Holzfässer, botte genannt, verwendet und das Barrique kam erst spät in die Keller. Ganze önologische Kriege wurden dadurch provoziert, als man einen Barolo ins französische Barrique steckte...

Was machen die Franzosen? Was sollen sie schon machen. Aufs Etikett schreiben die eh fast nie irgendwas außer ihr Terroir, und wenn sie etwas Anderes als französisches Holz verwenden würden, oh sacre bleue, dann drohen 10 Jahre Fremdenlegion. Überall auf der Welt, USA, Australien, Argentinien oder Chile sieht man Folgendes: Immer dann französisches Barrique im Einsatz ist, wird das hervorgehoben, Ist es was Anderes, wird es meistens geschmeidig weggelassen. Die Strahlkraft Frankreichs ist auch bei den Tonneleries wie François Frères, Sylvain und Rousseau unerreicht, mit Ausnahme vom Stockinger vielleicht. Das geht soweit, dass manchmal die bestimmten Eichenwälder erwähnt werden (übrigens auch unter Terroir zu listen) und die schon zu teuren Stars geworden sind. Allier, Tronçais, Nevers heißen diese Wälder in Frankreich.

Wahrnehmung von Holz

Ein Wein kann zu 100% im Holz ausgebaut sein und kaum nach Holz schmecken. Und ein anderer Wein kann auch nur zu 20% im Barrique sein und trotzdem schmeckt er verholzt.

Vor einigen Jahren befand ich mich auf der Prowein Messe auf dem Weg zum Stand des Weinguts Muga. Muga ist wie Tondonia besonders bekannt dafür, dass sie ihre eigenen Barriques herstellen. Ein befreundeter Weinhändler und Experte für spanische Weine kreuzte meinen Weg, wir unterhielten uns kurz und ich erzählte ihm wohin mich mein Weg führen würde... „Ah, feinste Tischlerware“ grinste er frech und voller Häme, denn seine Stilistik sei das ja nicht. Wein ist Frucht und nicht Holz. Wer übrigens mal schmecken möchte wie exzellente Qualiät an Barriques schmeckt, öffne sich mal einen jungen Torre Muga, oder einen jungen Gantenbein Pinot Noir. Auch ein Mouton-Rothschild ist sehr von Holz geprägt und präsentiert perfekte Barriquenoten.

In der Sommelierausbildung von Astrid Löwenberg lernte ich dazu eine wunderbare Metapher: Wein und Holzfassausbau verhalten sich wie Eier und Eierschalen. Leider können wir diese Art von Eierschale nicht selber entfernen, das muss dann schon die Zeit für uns erledigen, denn sonst, wenn wir Weine zu früh öffnen und sie mit deutlichen Holznoten abgefüllt wurden, essen wir Eier mit Schale.

Holzgeschmack ist so also grad gar nicht in Mode. Viele Experten, vor allem in Deutschland, schwafeln andauernd despektierlich über Holz und haben Recht damit, ohne das Problem wirklich zu begreifen. Holz dient dem Wein und ist dabei kein Selbstzweck. Weil die meisten Weine in Deutschland nicht zum Essen getrunken werden -sondern zum Bella-Figura-Machen in einer sehr seltsamen Weinkultur- denken sie, dass die Weine zu viel Holz hätten. Die meisten der besten der Weine der Welt sind in Holzfass ausgebaut. Nicht alle natürlich. Man braucht es nicht zwingend und ich meine jetzt nicht Riesling. Es gibt Spitzenweingüter, die nur Premium Rotweine machen und kein einziges Holzfass mehr verwenden, wie zum Beispiel Terroir al Limit. Aber die Ausnahme bestätigt die Regel. Grundsätzlich kann man sagen, Eichenholz ist und bleibt ein zentrales Element für die Qualität der Weine. Der Winzer muss damit umgehen können. Aber auch der Konsument muss damit umgehen können.

04.07.2022
Datum:
Artikel: Wein auf dem Holzweg
Quelle: https://blog.inbarrique.de/18

Cookies

Diese Seite verwendet Cookies? Mit klicken auf Akzeptieren gestatten Sie deren Einsatz.