El Escocés volante - der fliegende Schotte
Ein typischer Quereinstieg
Norrel ist in Aberdeen aufgewachsen und hat in Edinburgh Politologie studiert. Wenn er an damals zurückdenkt, bezeichnet sich als guten aber faulen Studenten. Ob das mit einer anderen Leidenschaft zu tun hatte? Die ist nämlich schon sehr früh die Welt der Weine geworden. Den Norden von Schottland würde man nicht als besonders weinaffige Gegend vermuten, vielmehr dem Whisky zugetan. Doch anders als in weiten Teilen Deutschlands, wo sehr wenig Wein konsumiert wird, ist Schottland als Teil des britischen Königreichs schon immer ein stark Wein-Importierendes Land gewesen. Edler Weinkonsum durchdringt die Bevölkerung Großbritanniens deutlich länger als hierzulande. Schon als Student kam er mit Wein in Berührung als er bei der Wein- und Spirituosenkette Oddbins jobbte. Nach dem Studium leitete er dann einen unabhängigen Fine Wine Shop in Edinburgh. Der „Virus“ hatte ihn da schon komplett erwischt und einen unstillbaren Wissensdurst ausgelöst. Nachdem er einige Jahre als Wein-Einkäufer der renommierten Brauereikette Scottish & Newcastle (die besaßen auch viele Weinläden) war, wollte er trotzdem mehr über die Produktion wissen und begann von der Pike auf sich mit Weinbau, also den technisch-naturwissenschaftlichen Teil zu beschäftigen. Am meisten lernt man in der Erntezeit. Norrel hat den ganzen Globus bereist und Ernten in Portugal, Italien, Chile, Südafrika, Australien und Neuseeland mitgemacht. Dies alle kulminierte in einem Post-Graduate Studium in Enology & Viticulture in Neuseeland, das er mit „Distinction“ ablegte. Er war schon längst kein fauler Student mehr, sondern vielmehr wandelndes Weinlexikon. Bekannt in der Weinwelt war Norrel Robertson nämlich schon im Jahre 2000 geworden, als er den Titel „Master of Wine“ verliehen bekam.
Master of Wine
Es ist wohl der weltweit renommierteste Titel im Weinhandel. Das Institute of Masters of Wine in London vergibt ihn an diejenigen, die in einem mehrjährigen Kursprogramm unter Beweis stellen konnten, dass sie sich mit den Weinen der ganzen Welt auskennen. Die Breite, Tiefe und Vielfalt der Anforderungen an die Kursteilnehmer ist mittlerweile schier unglaublich, denn die Weinwelt hat sich sehr gewandelt. Als beispielsweise Jancis Robinson oder Michael Broadbent die Prüfung ablegten, war die Fine Wine Welt noch nicht so diversifiziert wie heutzutage. Ein perfektes Beispiel dafür ist Calatayud, worüber weiter unten noch gesprochen wird. Vor vierzig Jahren kannte das selbst in Spanien kaum jemand und heute entstehen dort Weine, die 50 Euro kosten. Das soll alles keine versteckte Kritik an eben genannten Granden der Weinjournaille sein, sondern nur besonders betonen wie umfangreich es werden kann, wenn man sich weltweit mit Wein auskennen will. Und genau diesen Anspruch haben die Master of Wine. Die Prüfungen sind deshalb ultrahart und viele sehr fähige Leute fallen durch. Es gibt in Deutschland nur ganze acht Master of Wine, in Spanien drei. In der englischsprachigen Welt ist diese Ausbildung schon länger fest etabliert, da gibt es weitaus mehr, aber es sind weltweit immer nur einige 100.
Was macht man dann mit so viel Wissen?
Mit diesem Curriculum an praktischen und theoretischem Wissen war Norrel mehr als überqualifiziert, um selber Wein zu machen. Doch ein eigenes Weingut aufzubauen, ist nicht so einfach und geht eigentlich nur Schritt für Schritt. Erstmal hatte er eine Anstellung als Chief-Winemaker einer großen Kellerei angenommen und seine Dienste als Berater angeboten. Als Önologe und Master of Wine kennt er sich hervorragend mit den Notwendigkeiten der Produktion und des Handels aus. Viele Weingüter in Südfrankreich und Spanien haben seine Dienste in Anspruch genommen, sodass er ein bisschen auch ein „Flying Winemaker“ ist, obwohl er da eher mit dem Auto als „driving winemaker“ unterwegs ist. Daher hat er viele verschiedene Regionen gesehen und kennt unheimlich viele Leute. Angetan hat es ihm dann besonders die karge Hochlandregion Aragon in Nordwestspanien.
Calatayud und Garnacha
Aragón mit der Hauptstadt Zaragoza wird in der Mitte von West nach Ost vom Ebro durchzogen. Dieses breite Flusstal teilt das hoch gelegene Land in zwei Hochplateaus, die sich im Norden Richtung Pyrenäen und in Süden Richtung der Iberischen Bergkette (sistema iberico) anschmiegen. Calatayud liegt auf der südwestlichen vom Ebro-Tal, also sehr im Inland Spanien. Daher ist das Klima kontinental. Also große Tag/Nacht- und Sommer-Winter-Unterschiede sind zu verspüren. Regulierender Einfluss kommt ganz zart vom Mittelmeer den Ebro hinauf. Aragon eine lange Weinbautradition, die ein bisschen im Schatten anderer, berühmterer Regionen steht. Garnacha ist die historische Rebsorte des Königreich Aragóns, einst in Union mit Katalonien und vor der Einigung Spaniens eine Mittelmeer-Kolonialmacht. Als koloniales Mitbringsel kam dann Garnacha vermutlich nach Sardinien und heißt dort inzwischen Cannonau (die Sarden sehen das nicht so, aber mei…). Ähnlich wie in Somontano oder in Navarra haben in Calatayud auch internationale Rebsorten wie Cabernet Sauvignon Einzug gefunden. Aber vor allem aus den Rebsorten Garnacha und Cariñena werden schon sehr lange, bärenstarke Weine für viel zu wenig Geld hergestellt.
Das „Weingut“
Norrel war von der Qualität der alten Garnacha-Rebstöcke so begeistert, dass er hier seinen Traum verwirklichen wollte. Abgesehen davon ist die Landschaft echt spektakulär. Es sieht aus wie eine Wildwest-Kulisse. Nach und nach hat Norrel Land gekauft oder gepachtet, sich in zwei verschiedene Keller eingemietet und seine Marke „El Escoces Volante“ (der Fliegende Schotte) eigentlich ohne richtiges Weingut lanciert. Das Gebäude befindet sich gerade im Bau. In Kürze wird er dort auch Gäste empfangen können. Über 30 Hektar bewirtschaftet er mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen. In Deutschland wäre das schon ein relativ großes Weingut. Allerdings muss hier erwähnt werden, dass der Ertrag aus den alten Gobelet-Parzellen nicht im Ansatz so hoch ist wie ein qualitativ hochwertiger Ertrag bei uns in Deutschland. Die Stockdichte ist äußert niedrig und bei Norrels 50-110 Jahre alten Gobelet-Reben (niedrige Buschreben) hängen auch nicht so viele Trauben dran. Daher kommen aus den 30 Hektar bei Norrel vielleicht am Ende so viele Flaschen raus wie bei einem 5-10 Hektar großen Weingut in unseren Gefilden. Seit 2014 wird biologisch gearbeitet, der Zertifizierungsprozess aber gerade erst in Auftrag gegeben. Die Weine sind also bio, auch wenn es noch nicht auf dem Etikett steht.
Die Weine
En sus Trece
Der Wein wurde nur im Zementtank auf den Feinhefen ausgebaut, um die Fruchtcharakteristik von Garnacha zu betonen. Ein idealtypischer Vertreter des kraftvollen spanischen Garnacha. Er bringt eine herrliche, ja fast überbordende dunkle Frucht an schwarzen Johannisbeeren und Pflaumen. Darüber eine elegante Kopfnote von Veilchen und Rosen. Hier zeigt sich das Können des Winemakers. En sus Trece ist ungemein konzentriert und trotzdem frisch am Gaumen. Eine absolute Granate für 20 Euro, es wurden nur 2800 Flaschen gefüllt.
El Cismatico
Einer der berühmten Weine von Norrel ist der Cismatico, aus vier verschiedenen alten Parellen, die zwischen 1933 und 1953 gepflanzt wurden. Er wird 13 Monate in französischen 500 Liter Fässern ausgebaut. Cismatico ist der würzige, tiefgründige Vertreter der Range von Norrel. Großartige Komplexität mit einem Aromenprofil wie man es von einem großen Chateauneuf erwarten würde. Wie bei den berühmten Franzosen, kann man ihn getrost Jahre bis Jahrzehnte reifen lassen. 3200 Flaschen wurden hergestellt.
Mataquemada
So heißt Einzellage auf 980 Metern Höhe in Torrijo de la Cañada. Verwittertes Schiefergestein. Ausgebaut wird er in einem Beton-Ei. Der elegante, ja beinahe zarte Wein von Norrel hat etwas Außergewöhnliches an sich. Der Körper ist schlank und bleibt bei aller Intensität extrem trinkfreudig. Das Besondere ist die Aromatik. Er duftet nach so vielen verschiedenen Gewürzen und Blumen, dass einem schwindlig wird. Einfach irre. Die Produktion liegt bei 2000 Flaschen und man sollte sich so viele wie möglich schnappen.
Artikel: El Escocés volante - der fliegende Schotte
Quelle: https://blog.inbarrique.de/24