Barista Black - Vintus Fourie und der Coffee Pinotage
Die Rebsorte Pinotage
Bertus Fourie war um die Jahrtausendwende herum der Kellermeister von Diemersfontein, ein großes klassisches Weingut in Wellington. Dort ist man seit Anfang spezialisiert auf Pinotage. Sie ist eine Neuzüchtung der 1920er Jahre aus Südafrika und hat über die Jahrzehnte hinweg die Rolle der Identität stiftenden Rebsorte für dieses Land bekommen. Die Elternteile sind der elegante Pinot Noir und die würzige südfranzösische Cinsault, welche in Südafrika Hermitage genannt wurde. Die Zusammensetzung der Bezeichnungen ergibt dann Pinotage. Der Name Hermitage kommt aus dem berühmten Hügel an der nördlichen Rhône, dort wächst aber Syrah und nicht Cinsault. Hermitage klingt aber so gut, könnte ja sein, dass man das bewusst umbenannt hat. Es könnte aber auch sein, dass der Züchter sie für Syrah gehalten hat, dann wäre der Name Hermitage wieder verständlich.
Es gibt kritische kritische Stimmen dem Pinotage die Güte für absolute Spitzenklasse absprechen. Ich denke, dass das vor allem daran liegt, dass man mit Pinotage falsch umgegangen ist. Sie hat ein wirklich schmales Erntefenster für die spätere Harmonie im Glas. Zu früh gelesen wird sie krautig und bleibt etwas dünn. Zu spät hat man dann einen alkoholischen und klebrigen Brei am Gaumen, der nicht genug Gerbstoff und Säure mitbringt, um lebhaft zu bleiben und nach Gummiabrieb riecht. Aber kriegt man die Balance hin, liefert sie ein hervorragendes Traubenmaterial, das sich in verschiedene Richtungen entwickeln kann, je nach dem was der Kellermeister damit anstellt. Es gibt Pinotage-Weine, die eine Bordeaux ähnliche Robustheit entwickeln und kraftvoll würzig, ja gar imposante Rotweine werden. Und wiederum andere sind zart, feinwürzig, herrlich aromatisch in der Nase und bleiben trotz reifer Fruchtsüße anmutig schlank am Gaumen.
Die Anfänge bei Diemersfontein
Zurück zu Bertus Fourie. Eigentlich war er auf dem Weg, Arzt zu werden. Die Arbeit in den Weinbergen und die Lebensart, die damit verbunden ist, hat ihn dazu berufen, Winemaking in Stellenbosch zu studieren. Sein erster Job war dann die Stelle bei Diemersfontein. Er war also verantwortlich für den Keller und mitten im Herbst, Zeitstress pur, mussten ein paar Tanks voll gärendem Pinotage für die ankommende Tagesernte geleert werden. Aus Platznot kam er in neue Barriques, eigentlich ein Unding für die mittelkräftige Struktur von Pinotage. Am morgen danach betrat er den Keller und es roch, als ob man eine Rösterei betrat. Er hatte Angst, den Wein verunstaltet zu haben und dass ihm das seinen Job kosten könnte. Er hoffte mit der Zeit ginge dieses Aroma wieder weg, aber vielmehr verstärkte es sich. Aber man stellte auch fest, dass das Aromenprofil der Rebsorte hervorragend zum Vergären im Barrique passte und dass der Wein sehr charmant war. Das erkannten auch andere. Der Diemersfontein Pinotage 2001 gewann Preise und wurde zu einem neuen Klassiker der südafrikanischen Weinszene und hat viele Nachahmer gefunden. Bertus hat durch diese Erfolgsstory den Spitznamen „Starbucks“ bekommen. Und auch nach Bertus Abschied vom Weingut wird der Weinstil beibehalten. Mittlerweile gibt es bei Diemersfontein sogar ein alljährliches Festival, bei dem „Coffee-Pinotage“ direkt aus dem Fass ausgeschenkt wird und dazu Schokoladenfondue gereicht wird.
Barista-Wines: Bertus ist angekommen
Diese Geschichte hat ihm jedenfalls den Mut gegeben, seinen eigenen Ideen zu verwirklichen. Ziemlich umtriebig ist er in den letzten Jahren gewesen und war an sehr vielen Weinprojekten beteiligt, die Weine von der Brew Crew zum Beispiel. Seine persönlichstes und ganz eigenes Projekt ist aber das Weingut Barista. Mein Eindruck ist, dass er mit diesem Spitznamen Starbucks nicht ganz zufrieden ist. Ich wäre es auch nicht, wenn man mir den Namen „Kaffee-McDonalds“ geben würde. Da passt Barista einfach viel besser, denn die persönlich Note, die ein Barista bei der Zubereitung eines Caffè hineinsteckt, riecht und schmeckt man einfach. Und so sieht Bertus auch seine Arbeit. Er ist nicht auf der Suche nach Standards, die man millionenfach reproduzieren kann, sondern er sieht sich als ein Tüftler, der einen Idee umsetzt und ständig verbessern möchte. Die Barista Wines werden zu einem Teil mit dunkel getoasteten Holzstäben vergoren. Das betont den Kaffeecharakter. Eine andere Partie gärt im Edelstahl und noch eine andere im Betontank. Zum Ausbau geht es dann ins französische Barriques, beim Barista Black aber nur zu 20% Neuholz, denn er Wein soll am Gaumen sanft bleiben und nicht zu gerbstoffbetont werden. Wie gesagt, er ist ein experimenteller Tüftler und wird das Rezept vielleicht noch ändern. Gleichzeitig ist er eine hervorragender Kommunikator seines Schaffens. Er wirkt wie jemand, der sein Leben mit sehr viel Hingabe genießt und mit gelassener Ruhe die Perfektion sucht. Sein Wein soll in jede Situation passen, ob nun zum Essen oder als Solo Sipper. Auf alle Fälle passt er aber zu gegrilltem Fleisch und Gemüse. Wie fast jeder Südafrikaner ist auch er ein richtig passionierter Griller. Brai nennt man ein Grillfest im Freien. Sobald es das Wetter möglich macht- und das tut es wahrlich oft, wird in Südafrika gegrillt. Bertus ist mit seinen Brai-Fertigkeiten sogar ins Fernsehen zu einem Kochwettbewerb gekommen. Als Vater eines neuen Weinstils und durch diesen medialen Gastauftritt ist er eine kleine Berühmtheit in Südafrika geworden.
Wie entstehen eigentlich neue Weinstile?
Ein vermeintlicher Fehler im menschlichen Handeln steht oft als Startpunkt einer Entdeckung oder Erfindung. Viele Erfindungen wurden gemacht, als man vergesslich, schusselig oder völlig irregeleitet war. Die Idee zur Mikrowelle, die Laugenbreze, die Teflonschicht, ja sogar die Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus ist zufällig passiert. Ich möchte jetzt nicht den Coffee Pinotage mit einem ganzen Kontinent gleichsetzen, aber er ist mit der Entstehungslegende des Amarone della Valpolicella vergleichbar. Die besten Trauben wurden traditionell immer für den Süßwein hergenommen. Ja sogar nur die Schultern der besten Trauben, weil diese Beeren im Stilgerüst weiter oben sind und besser versorgt werden. Deswegen heisst der Süßwein des Valpolicella auch Recioto, was auf Italienisch „der aus Öhrchen gemachte“ bedeutet. Diese Öhrchen wurden monatelang getrocknet und dann erst im Frühjahr gekeltert. In den 30ern des 20. Jahrhunderts war Kellermeister der Cantina di Negrar im Urlaub und sein Gehilfe hatte vergessen die Gärung für einen Recioto zu unterbrechen. Er gärte durch und wurde „amaro“ (zu deutsch bitter). Der Kellermeister kam zurück war zuerst entsetzt, merkt dann dass das Zeug im Glas sehr gut war und rief euphorisch: Das ist ja keine Amaro, sondern ein Amarone. Die Endung -one wird im Italienischen dort eingesetzt, wo etwas groß und gewaltig ist. Vielleicht war damals der Moment als Bertus in den Keller bei DIemersfontein den Prototyp des Coffee Pinotage zum ersten Mal erlebte, auch so ein Amarone-Moment.
Coffee-Pinotage: Brauchts’ das?
Ist es beim Coffee Pinotage wirklich so gewesen? Oder hat Bertus einfach ein wenig experimentiert und wenn er es nicht gewesen wäre, hätte es sein Nachbar zwei Jahre später auch so gemacht? Nun ja, ein wenig Genie des Winemakers lässt sich durchaus vermuten, denn Bertus Fouries Abschlussarbeit an der Uni ging um den Einfluss verschiedener Holzsorten und -toastings auf den Gerbstoffcharakter bei Syrah und eben Pinotage. Ein Schelm, wer da denken könnte, dass er nicht wusste, was passieren würde. Wie dem auch sei, Coffee Pinotage ist angekommen und die Geschichte dazu ist griffig. Auch hier fällt mir ein Sprichwort aus dem Italienischen ein: Se non è vero è bene trovato - wenn es nicht wahr ist, ist es gut erfunden. Wenn Coffee Pinotage sich auch nur annähernd so erfolgreich halten kann wie Amarone und nicht als Modeschöpfung wieder verpufft, ist dieser Pinotage-Stilistik eine große Zukunft beschert. Ob man sie nun braucht oder nicht, ob sie Fortschritte für die Menschheit bedeuten oder einfach nur die allzu-menschliche Bequemlichkeit (des Gaumens) bedienen und deswegen erfolgreich geworden sind, sei mal dahingestellt. Fakt ist, der Coffee Pinotage hat viele Menschen in Südafrika begeistert, ist in der angelsächsischen Welt angekommen und und schwappt allmählich auch zu uns rüber. Wen das jetzt neugierig gemacht hat, dem empfehle ich bei dem Top-Produkt seines Urschöpfers anzufangen: Bertus Fourie’s Barista Black.
Barista Black
Es gibt zwei Barista Pinotage-Weine: Barista (weißes Label) und Barista Black (schwarzes Label, ach was!). Das schwarze Etikett ist die Reserve, Selektion besserer Trauben oder einfach die bessere Qualität. Es wird nicht genau erklärt, muss es auch nicht, die Kommunikation bleibt einfach und edel designed, am Gaumen spürt man das dann auch. Beim schwarzen Etikett hat Bertus im Vergleich zum weißen Barista noch eine ordentliche Schippe an Ernsthaftigkeit und Konsequenz draufgelegt. Das weiße Etikett spielt mit etwas Restsüße am Gaumen. Barista Black ist dagegen dezidiert trocken, der Barrique-Ausbau ist besser eingebunden, der Wein tiefgründiger, weil extrakt- und aromenreicher. So wirkt die Charakteristik von Coffee Pinotage, Espresso und Kakao, auf natürlich Weise, als ob man eine süditalienische Bar betreten würde. Der Barista Black wird gefallen, die ihren Caffè amaro, also ohne Zucker (und gleich doppio) trinken. Wenn bei ihnen der Löffel im der Tasse steht, wäre der „einfache“ Barista vielleicht die bessere Wahl. Manchmal ist mehr mehr, beim Restzucker im Rotwein ist aber weniger definitiv mehr…
Artikel: Barista Black - Vintus Fourie und der Coffee Pinotage
Quelle: https://blog.inbarrique.de/23