Diez-Caballero - Neoklassik in der Rioja

Auf den ersten Blick sieht es so aus wie ein Jahrhunderte alter Traditionsbetrieb. Aber eigentlich ist Diez-Caballero als Weingut ein junger Hüpfer in der Rioja. Trotzdem ist das Auftreten stimmig, denn der Begriff „Tradition“ wird hier mit Leben gefüllt und nicht künstlich als Marketingelement erzeugt, um altehrwürdig zu wirken.
Diez-Caballero - Neoklassik in der Rioja

Elciego - Kernland der Rioja Alavesa

Gerade jetzt im Herbst ist es ein wunderschöner Fleck auf der Erde. Zwischen dem Ebro im Süden und der Sierra de Cantabria im Norden liegen unzählige Weinberge, sanft aufsteigend und kleinteilig wie ein Mosaik. Die Rioja Alavesa, also der baskische Teil des Weinbaugebiets, bietet zu dieser Jahreszeit einen besonderen Farbkontrast: Weißer Kalksteinboden und rot gefärbte Blätter, die durch die hohe Lichtintensität der spanischen Sonne einfach kräftiger wirken als woanders. Einfach nur spektakulär und gleichzeitig hat diese leuchtende Landschaft etwas beruhigendes in ihrer majestätischen Erhabenheit. Die Zeit steht still, wie eingefroren durch den kühlen Wind, der im Herbst hier einsetzt. Inmitten dieser abertausenden Rebzeilen befindet sich das Dorf Elciego in der Provinz Álava. Mitten im Dorf steht die Bodega Diez-Caballero, die wir im Folgenden mal einordnen wollen.

Diez-Caballero

Die Entwicklung der Rioja Alavesa - was ist modern, was ist Tradition?

Die Frage ob modern oder traditionell wurde in der Rioja normalerweise anhand der Stilistik im Glas beantwortet. Also viel Primärfrucht, dunkle Farbe, kräftiger Körper und viel französisches Neuholz waren modern. Wenig Primärfrucht helle Farbe, hohe Säure und schlanker Körper und amerikanisches Altholz waren traditionell. Soweit so gut für die Stilistik. Daneben hat sich in den letzten Jahren eine zweites Spannungsfeld etabliert. Da geht es im die Betriebsart und die Vermarktung der Weine. Da sind meist große, zukaufende Weingüter, die Crianza, Reserva und Gran Reserva anbieten traditionell. Und kleine Einzelkämpfer, die Parzellen einzeln ausbauen, auf die Bezeichnungen Crianza, Reserva und Gran Reserva pfeiffen, sind auf einmal modern, weil nachhaltig und Terroir-verbunden.

Ja, die Rioja Alavesa hat sich in den letzten Jahrzehnten zu einem Terroir-Mekka entwickelt. Die Einzellagen- und der Rioja-Village-Wein ist in der Alavesa zum neuen Standard geworden. Weingüter wie zum Beispiel Artadi haben es vorgemacht und viele sind gefolgt. Eine Burgundisierung hat eingesetzt, die es „traditionellen“ Weingütern mit Crianza, Reserva, Gran Reserva System schwerer macht, für ihre Weine Fachhändler zu finden. Diese Entwicklung ist für die Geldbeutel der „modernen“ Weingüter sehr gut. Für die Geldbeutel der Rioja-Konsumenten, die jetzt nicht unbedingt zu den schmerzbefreiten oberen Prozentsätzen gehören, bekommt das einen immer weiter ausschließenden Charakter.

Nicht falsch verstehen, die Entwicklung der Rioja Alavesa ist toll und bewundernswert. Wie schon im Artikel über die Viñas Silenciosas von Ibai Viticultores erwähnt, bekommt dort der Winzer in der Rioja endlich die Wertschätzung für seine Arbeit. Aber durch diesen Fokus auf Einzellagen spielt man das Spiel der Verknappung und argumentiert sich preislich nach oben. Und wo bleibt man dann stehen? Ist unser Fortschritts-Weltbild dazu verdammt immer schneller, höher, weiter zu kommen? Man kann den Bogen auch überspannen. Wenn jeder nur noch nach Super-Premium strebt, wenn das Wort Exklusivität nicht mehr hinterfragt wird, passiert genau das, was im Burgund, im Piemont und gerade auch mil dem deutschen Riesling passiert. Er schließt einfach die mittleren und niedrigen Einkommen durch seinen Preis aus. Jeder Hersteller sollte sich fragen, für wen er seine Weine eigentlich produziert. Die Menschen in deinem Dorf werden deinen Wein nicht mehr trinken. Du machst dann Wein für die „Großkopferten“ auf Bayrisch, die „Gschteckten“ in Österreich. Ist das dann noch Tradition? Wie viele Weingüter nennen sich traditionell, werben damit, so Heimat-verbunden zu sein, um dann ihre Weine nur noch in finanzstarken Exportmärkten konsumiert zu sehen.

Diez-Caballero

Das Weingut Diez-Caballero

Was macht dann ein Weingut das nicht auf den burgundischen Zug aufspringen möchte. Es ist ja nicht so, dass die Weinstöcke von Diez-Caballero auf dem unpersönlichen Nichts wachsen. Sie haben 25 Hektar, hauptsächlich alte Tempranillo-Stöcke, verteilt auf 15 Parzellen, die maximal drei Kilometer entfernt sind von Elciego. Daraus kommen meistens nicht mehr als 110 000 Flaschen Jahresproduktion. Also mehr Terroir geht ja gar nicht. Aber halt nicht auf burgundische Weise. Eigentlich sehen sie sich wie ein Bordeaux-Château. Vieles davon stimmt. Sie verarbeiten nur eigene Trauben, die sich um das Weingut herum befinden. Und sie bauen diese in Barriques aus, füllen am Weingut und vermarkten diese Weine nach althergebrachten System: Crianza, Reserva und Gran Reserva. Und die Preise dafür sind echt völlig in Ordnung. So dass sich eben jeder diesen Wein leisten kann, dass man die Weine von Diez-Caballero in den Restaurants auf den Tischen der einheimischen Gäste sieht. Somit können wir Diez-Caballero als kleines traditionelles Weingut einordnen.

Diez-Caballero Weinberg

Stilistisch vinifizieren sie aber unglaublich modern. Antonio Diez-Caballero zeichnet sich verantwortlich für die Weine. Als diplomierter Biologe kennt er sich sehr gut aus mit Mikroorganismen in der Weinbereitung. Die Weine von Diez-Cabellero sind dadurch enorm verlässlich und stabil, eine Qualität die ein traditioneller Betrieb unbedingt aufbringen sollte. Das ist zum Beispiel eine der Schwierigkeiten, die „modernen“ Betrieben nicht so im Nacken sitzt. Einzellagen können jedes Jahr anders schmecken, man hat da argumentativ eine freiere Hand gegenüber der Verbraucherwartung des Konsumenten. Auch eine Crianza oder Reserva kann Jahrgangsunterschiede aufweisen. Zu groß sollten sie aber nicht sein, denn der Verbraucher erwartet da einen Hausstil. „Ich will die Crianza von Murrieta, von Muga oder von Luis Cañas etc. pp.“, da ist der Jahrgang nicht so wichtig. 2013 war zum Beispiel der letzte wirklich problematische Jahrgang, den viele im Keller nicht ausgleichen konnten. Um die Unterschiede der Natur auszugleichen braucht es dann eine gute Kellerwirtschaft. Wieviel wissenschaftliche Analyse und wieviel Technik verwendet man der Weinbereitung? Der moderne Winzer in der Rioja kann da mehr seinem Gefühl nachgeben und eher künstlerisch tätig sein. Er braucht die Technik nicht, sein Risiko ist gestreut auf viele verschiedene, separat vindizierte Einzellagen.

Diez-Caballero Weinberg

Wir fügen zusammen. Traditionelle Betriebe sollten modern arbeiten und moderne Betriebe können es sich leisten, traditionell zu arbeiten. Das ist doch mal eine Arbeitshypothese um die Entwicklung der Rioja in den nächsten Jahren zu beobachten. Ich glaube, bei Diez-Caballero hat man genau das verstanden. Ursprünglich waren sie Traubenlieferanten für namhafte Weingüter. Die Geschichte geht zurück ins 19. Jahrhundert und verliert sich dort. Erst 1979 werden die ersten Weine selber gefüllt und der Betrieb nach und nach auf Selbstvermarktung umgestellt. Das Marketing hat Victoria Cañas in der Hand, Antonios Mutter. Sie ist die Chefin von Diez Caballero. So einfach kann man das sagen. Sie hat in den Betrieb eingeheiratet und ihn nach dem Tod ihres Mannes weitergeführt. Nach und nach kamen die ersten Exportmärkte hinzu. Diez-Cabellero ist also ein recht neuer und unbekannter Betrieb in der Rioja. Aber sie sind dort fest verwurzelt und sehr stolz auf ihren Werdegang. Sie sind Teil der gastronomischen Kultur und haben nicht die Absicht, es anders oder neuartig zu machen. Sie wollen einfach gute Weine machen, die sich alle Menschen in der Rioja und in der großen weiten Welt leisten können. Es ist Victorias Lebenswerk.

Diez-Caballero alle Weine

Die Weine

Crianza

Der Hauptteil der Produktion ist die Crianza. Es ist so etwas wie die Hausmarke von Diez-Caballero. Sehr guter Rioja für ungefähr 10 Euro. 100% Tempranillo, nur aus Lagen in Elciego, und für 12 Monate ausgebaut in französischen Barriques. Eine wunderbare Verbindung von kräftiger Frucht und würzigen Barrique-Noten. Himbeere, Maulbeere, rote Johannisbeere, Pfeffer, Muskat und Zedernholz. Am Gaumen weich und füllig, ist er ein toller Essensbegleiter für alle möglichen Eintöpfe und Aufläufe. Es darf ruhig deftig werden, steckt er ohne Mühe gut weg.

Reserva Victoria

Dieser Wein ehrt das Lebenswerk Victorias. Er ist eine Reserva aus hoch gelegenen Parzellen mit etwas mehr Neuholz als die normale Reserva. Nur 10.000 Flaschen werden davon hergestellt. Er wird 18 Monate in französischen Barriques ausgebaut und schielt schon in die Kategorie der Gran Reservas. Trotzdem soll hier noch der fruchtbetonte Hausstil von Diez-Caballero durchkommen. Deswegen nicht ganz so lange im Holz und „nur“ eine Reserva. Die hohe Komplexität macht ihn aber zu einem besonderen Rotwein, der perfekt zu edlen und festlichen Fleischgerichten passt. Wild, Schmortopf oder Ente.

Reserva Vendimia Seleccionada

Die Auswahl der ältesten Rebstöcke. D.h. aus über 80 Jahre alten Tempranillo-Stöcken. Stilistisch einzuordnen in die Kategorie der Super-Reservas. Also sehr intensive Frucht mit ganz feinen Tanninen und edelsten Holzaromen. Ein Wein, der gerne noch reifen darf und jedes Essen in ein Festmahl verwandelt.

28.10.2022
Datum:
Artikel: Diez-Caballero - Neoklassik in der Rioja
Quelle: https://blog.inbarrique.de/25

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