Castellari Bergaglio und der Gavi

Das Weingut Castellari Bergaglio gehört schon seit Jahren zur Speerspitze einer Appellation, die zu den klassischen Weißweinen Italiens gehört, dem Gavi.
Castellari Bergaglio und der Gavi

„Gavi? Ach ja, da war doch mal was? Hatten meine Eltern immer im Sommer auf dem Terrassentisch stehen, aber ich trinke mittlerweile meinen Lugana...“ So in etwa könnten viele Weintrinker in Deutschland reagieren, wenn man sie mit einer Flasche Gavi konfrontiert. Ja! Mittlerweile in ganz Deutschland, nicht nur in München.

Italien, seine Weißweine und der deutsche Markt ist sehr interessante Dreiecksgeschichte. Wirklich berühmt ist das Land für seine Rotweine, Barolo, Brunello und Amarone. Schwere, mit Gerbstoffen geladene und sehr seriöse Rotweine. Aber Italien hat so unglaublich viele tolle Weißweine. Und wenn man an Italien denkt, ersehnt man dann nicht auch die Wonne des Mittelmeers und eine elegante Leichtigkeit im gastronomischen Ich? Aperitivo und Spaghetti con le vongole am Meeresufer? Dazu ein leichter Weißwein. So schnell entstehen schöne Italienbilder im Kopf.

Die klassischen italienischen Weißweine Soave, Frascati und eben der Gavi bieten dafür schon immer die perfekte Projektionsfläche. Super easy drinking, guter Essensbegleiter und die guten Qualitäten gibt’s schon für wenig Geld. Ihre große Zeit in Deutschland begann in den 80ern, lief einige Jahre hervorragend und dann in den Nullerjahren fegte der Sturm des Gardasees über sie hinweg. Der Lugana hat es geschafft sie irgendwie zu verdrängen und genau diese Position einzunehmen. Wie das passiert ist, wäre genug Stoff für eine Dissertation in Weinmarketing. Ich frage mich nur seit langem: Wo bleibt die Renaissance für den Gavi? Denn die Weine sind sehr gut und hätten es verdient wieder mehr wahrgenommen zu werden. Wir wollen hier nun ein Weingut und seinen Wein würdigen: Castellari Bergaglio und der Gavi.

Crashkurs Gavi

Wir befinden uns im Süden der Provinz Alessandria, genau genommen ist es die südöstliche Ecke der Region Piemont. Nicht viel weiter in Richtung Süden erklimmt man die Berge Liguriens (Ausläufer der Appeninnen) und sieht das Mittelmeer. Im Wechselspiel des kontinental geprägten Grundklimas des Piemonts mit kalten Winden aus den Alpen und warmen mediterranen Einflüssen von Süden, wachsen die Reben in Gavi und den umliegenden Gemeinden. Die Weine sind zart und elegant, mild in der Säure und doch nicht breit am Gaumen durch zu heißes Klima.

Qualität wird hochgehalten, die Erträge sind festgelegt vom Consorzio auf 66,5 hl/ha für Gavi und 45 hl/ha für eine Riserva. Verglichen mit anderen Weißweinen wird somit eine dünn schmeckende Überproduktion vermieden. Auf 1500 Hektar sind etwa 60-70 Weingüter in der DOCG Gavi, die dort auch selber abfüllen. Daneben haben berühmte Handelshäuser und größere Weingüter des Piemonts manchmal auch einen Gavi im Programm. Aber die spannenden Qualitäten stammen von den ortsansässigen Winzerinnen und Winzer.

Was woanders die Bezeichnung Classico bedeutet, ist für den Gavi der Gavi di Gavi. Klingt melodisch und auch komisch, ist es auch, hat aber eine bestechende Logik. Weinbezeichnungen haben oftmals keine, sondern sind aus Vermarktungsgründen manchmal einfach nur Phantasienamen. In Italien heißen die Weine die Weine meistens nach dem Ort wo die Trauben für den Wein wachsen. Das Dorf in der Mitte wird dann hergenommen und die Nachbargemeinden nehmen dann auch diesen Namen für ihren Wein. So kommt’s dass der Rotwein aus La Morra auch Barolo heißt und der Weißwein aus Monforte d’Alpone auch Soave heißen darf. Bei steigendem Ruhm und Erfolg erweitert man dann gerne das Produktionsgebiet. Doch die Erzeuger aus der Kernzone wollen ihre überlegene Qualität wieder hervorheben. Manchmal auch nur ihr Fitzelchen mehr an Tradition. Daher schmücken sie sich dann mit der Bezeichnung Classico. Beim Gavi ist es dann Zusatz di Gavi. Also wirklich aus den Weinbergen der Gemeinde Gavi. Gavi del Comune di Gavi eben.

Im Norden der Appelation in den Gemeinden Tassarolo und Novi Luguri sind die Hügel etwas sanfter, die Böden geprägt von eisenhaltigen Lehm. Man kann die Terra Rossa sehen. Fruchtige, opulentere und saftige Weine kann man aus diesen Trauben gewinnnen. Die Kernzone zieht sich von San Cristoro über die Gemarkung des Dorfes Gavi bis nach Serracalle Scrivia und besteht aus einem langgezogenen Hügelkamm, der aus sandigen Kalkmergel besteht. Darauf wachsen die Reben aus sandigen Mergel und bringen feingliedrigere Trauben hervor. Im Süden erstreckt sich die Gemeinde Bosio. Hier nähert man sich den Appenninen und die Weinberge liegen höher auf steileren Hügeln. Der Boden ist wiederum mit weißer Lehm auf Sedimentgestein mit viele fossilen Inkrustationen durchzogen. Eine kräftig- kernige Grundcharakteristik spürt man bei den Weinen.

Die Rebsorte Cortese

Die Geschichte des Cortese geht vermutlich bis ins Mittelalter zurück. Der Name Cortese bedeutet auf Italienisch höflich im Sinne von höfisch, also aus Adelshause stammend, und kann sowohl auf seinen Charakter als auch seine Verwendung zurück zu führen sein. Also die bessere Traubenqualität, die einen angenehmen Wein hervorbringt. Erste Erwähnung in schriftlichen Quellen gibt es in der Stadtchronik Casale Monferratos des 17. Jahrhunderts. Insgesamt sind es 3200 Hektar, der Löwenanteil im Piemont und davon der größte Teil in Gavi. Wegen seines neutralen Grundcharakters wird Cortese sehr gerne für die Herstellung von Vermouth verwendet. Bei einem für Cortese geeigneten Terroir wie in Gavi kann man aber auch tolle, mineralische Weißweine erzeugen. Dafür braucht es dann aber gutes Winzerhandwerk und reduzierte Erträge.

Das Weinut Castellare Bergaglio

Der Name Bergaglio taucht häufig auf in Gavi. Allein vier Weingüter tragen ihn, weil viele miteinander verwandte Familien schon seit vielen hier Wein erzeugen. Die Familie Castellari Bergaglio machen schon seit Ende des 19. Jahrhunderts Wein. Ihr Anwesen liegt in dem kleinen Ortsteil Pessenti zwischen Gavi und Tassarolo. Im Umkreis von wenigen hundert Metern befinden sich zwei weiter Top-Winzer für Gavi. La Scolca und Nicolo Bergaglio. Man ist in bester Nachbarschaft und versucht zusammen den Gavi wieder nach ganz oben zu bringen. Aktuell ist es Marco, der das Ruder des 15 Hektar großen Weinguts in der Hand hält. Fest verwurzelt mit seiner Herkunft, gibt es bei ich nur einen Fokus: Die Tradition des Cortese in Gavi zu mehren und sein Profil zu schärfen.

Gavi Salluvii

Fruchtig, fröhlich und unkompliziert. Aromen von gelben Äpfeln, Birnen, Jasmin und Salluvii ist der Einstiegswein bei Castellari Bergaglio. Er wird je nach Erntezeitpunkt im Februar oder März des Folgejahres gefüllt. Der 21er ist also jetzt ganz frisch auf der Flasche und soll den Gaumen des Gavi-Lovers auf ganz unmittelbare Art mit den Primäraromen der Rebsorte Cortese verwöhnen. Die Trauben stammen aus den hügeligen Weinbergen des Gavi-Gebiet mit maximal 66,5 Hektoliter pro Hektar Ertrag. Für einen „Basis“-Wein ist das schon sehr reduziert. Im Keller ist die Gärtemperatur die entscheidende Stellschraube für den Grundcharakter des Weins: Während viele Weingüter ihre Einstiegsweißweine bei Temperaturen unter 12° vergären lassen um süßfruchtige Veresterungsaromen zu erzeugen, wird der Salluvii bei 18-20° C vergoren, eben nicht zu kalt, denn das garantiert klare präzise Fruchtaromen, verhindert aber diese sogenannten Eisbonbon-Aromen. Also ergänzen wir die eingangs erwähnte Trias frisch, fröhlich, unkompliziert noch mit der Eigenschaft ernsthaft. Der Salluvii ist nämlich kein Gummibärchen.

Gavi di Gavi Rollona

Strukturiert, mineralisch und mit herber Kräuterwürze. Der Rollona ist ein tyischer Vertreter der sandigen Kalkmergelböden der Hügel um Gavi selbst. Sie bringen Trauben, die sich perfekt für vibrierende Weißweine mit zurückgenommener Frucht und einem eleganten Bittermandelfinale sind. Gavi di Gavi hat einen tollen Wiedererkennungsfaktor. Es ist der Terroirwein der Appellation. Aromen von Birne, Salbei, Bergamotte begleiten ein durch und durch betont steinig und salzig anmutenden Weißwein. Nur im Stahltank vergoren und auf der Feinhefe ausgebaut. Wird behandelt wie der Salluvii, aber man merkt das feinere Traubenmaterial.

Gavi Pilin

Der Pilin zeigt was ein guter Winzer im Keller aus dem Potenzial der Verbindung Cortese und Gavi machen kann. Flaggschiff und Aushängeschild in einem. Benannt nach dem Opa, dessen Spitzname im Dorf Pilin war und der mit der Selbstvermarktung angefangen hat. Seit 1984 hergestellt. Die besten Trauben der besten Parzellen werden selektioniert und dann mittels Appassimento in kleinen luftdurchlässigen Kisten 30-40 Tage angetrocknet. Dann erst sanft gekeltert und im Barrique vergoren und ausgebaut. Nach der Füllung wird er nochmal in der Flasche reifen gelassen, bevor er auf den Markt kommt. Tiefgreifende und edle, sagen wir mal chardonnäige Aromen ergänzen die frische Gavi-Klaviatur. Ein Weißwein für besondere Situationen, cremig und tiefgründig.

30.05.2022
Datum:
Artikel: Castellari Bergaglio und der Gavi
Quelle: https://blog.inbarrique.de/16

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