Diez Siglos – die neuen Senkrechtstarter in Rueda
Genossenschaft oder Aktiengesellschaft?
Wir können in der Weinwelt kaum gegensätzlichere Begriffe finden, die so unterschiedliche Assoziationen hervorrufen. Hier die tapferen Kleinbauern, die sich zusammentun und gegen den schlechten Ruf der Genossenschaften ankämpfen und auf der anderen Seite das Großkapital, das an den Weltmarkt denkt und mit Wein als Produktionsmittel den Kurs steigen lassen will. Leider muss der Leser enttäuscht werden, Diez Siglos ist beides zugleich und deswegen auch nicht in Schwarz-Weiß-Kategorien einzuordnen.
Ende der Nullerjahre kommen die Winzer mit dem Initiator des Projekts Antonio de Iscar zusammen. Er wird von Beginn an CEO der Firma, die als Aktiengesellschaft eingetragen wird. Ziel ist es ein wirtschaftliches starkes und autarkes Weingut entstehen zu lassen, das auf Qualität setzt und sich auf dem sehr konkurrierten Markt durchsetzen kann. Alle Fäden laufen bei Antonio und seinem zehnköpfigen Team in der Kellerei zusammen. Die 76 Winzer bewirtschaften 380 Hektar (80% Verdejo), sind Teilhaber der Firma und liefern die Trauben. Es ist unverzichtbar selbst Rebland zu besitzen um Teilhaber zu sein. Doch die Bewirtschaftung des Reblands wird zentral gesteuert, damit jeder die bestmöglichen Trauben miteinbringt. Einzige Ausnahme ist eine berühmte Weinfamilie aus der Rioja, die kein Land miteinbringt, aber deren Investition unverzichtbar für den Startschuss war. Denn für den Kellereineubau war viel Geld nötig. Diez Siglos zeichnet sich durch modernste Technik aus. Hier wurden keinerlei Kompromisse gemacht und es wurde weitläufig geplant. Wir könnten Diez Siglos also eine genossenschaftliche Aktiengesellschaft nennen. Klingt nach etwas, was nicht funktionieren kann. Das Modell ist aber bisher eine krasse Erfolgsgeschichte. 2010 war der erste Jahrgang, der auf den Markt kam. Im Jahre 2014 hat man die Produktion von zwei auf vier Millionen Flaschen im Jahr verdoppelt. Dafür war auch eine Kellereierweiterung notwendig. Um die Nachfrage bedienen zu können, wurden eine zweite Abfüllanlage und weitere Tanks mit 600 000 Litern Kapazität erworben. Ausgelastet wäre das Weingut mit einer Produktion von 5 Mio. Flaschen, was man für spanische Verhältnisse als mittelgroß bis groß einstufen kann. 25% der Produktion von Diez Siglos geht in den Export, was weit über dem Schnitt in der Region liegt, auch wenn man das Weingut hierzulande noch nicht kennt.
Die Weine
Drei Linien gibt es bei Diez Siglos: Nekora, Canto 5 und Diez Siglos. Die Nekora Linie besticht durch schlichtes, modernes Design und leicht zugänglichen Weinen. Sie ist für eine urbane Gastronomie gedacht, insbesondere für preissensible Gastronomen. Bei Canto 5 tummeln sich ausschließliche Frizzante-Weine. Das Design ist sehr schrill und jugendlich. Auf der Diez Siglos-Range liegt das Hauptaugenmerk der Kellerei und besonders drei Weine haben mir bei der Verkostung auf der Prowein 2022 sehr gut gefallen.
Verdejo Ecologico
Beim Verdejo aus Rueda ist besonders die Balance des Körpers am Gaumen eine heikle Angelegenheit. Also das Verhältnis zwischen Restzucker, Extrakt und Alkohol. In warmen Jahren schießt der Zucker in den Trauben ziemlich in die Höhe. Ein trockener Weinstil mit unter 2 Gramm RZ (beim Verdejo sollte man schon trockenen Wein trinken) führt oft zu sehr hohen Alkoholwerten von 13-14,5% vol. Wenn da nicht eine gute Traubenqualität mit hohem Extrakt dagegensteht, wirkt der Verdejo sehr brandig und bitter. Ist der Wein bewusst zu früh gelesen um frische Säure und einen niedrigen Alkoholwert zu bekommen, dann wird’s schon arg dünn. So ein Weinchen mit unreifen Aromen braucht kein Mensch. Beim Verdejo Ecologico von Diez Siglos ist dieses Spannungsfeld souverän gemeistert worden. Er ist frisch mit reifen Zitrusaromen, dazu ein herrlich saftiger Pfirsich und grüner Apfel, die Verdejo-typische Anisnote fehlt nicht und gleichzeitig ist er süffig ohne Ende. Aber eben nicht dünn, sondern ziemlich intensiv am Gaumen. Eindeutig die Entdeckung der Prowein für unter 10 Euro Endverbraucherpreis.
Sauvignon blanc
Diese Rebsorte macht sich auch sehr gut in Rueda. Kein Wunder, denn sie gilt dem Verdejo als relativ ähnlich. Natürlich sind wir in klimatisch eher am wärmeren Ende für Sauvignon angekommen. Wer eine säurebetonte Sancerre-Stilistik bevorzugt, wird mit dem Wein nicht ganz glücklich. Wenn jemand allerdings volle, exotische Frucht begeistert, wird hier definitiv fündig. So viel Wein für wenig Geld.
Verdejo X Fermentado en Barrica
Verdejo verträgt neues Holz ziemlich gut. Aber man muss vorsichtig damit umgehen. Da ist Verdejo dem Grünen Veltliner nicht unähnlich. Dreht man den Regler mit dem Holz zu weit auf, klingts am Gaumen ein wenig übersteuert. Und wer trinkt schon gerne kratzigen Weißwein? Bei Bei Diez Siglos wird er nur in Top-Jahren und aus den besten und kräftigsten Trauben hergestellt. Der Wein wird im Barrique vergoren und liegt dann weitere 8 Monate auf der Feinhefe. Hin und wieder wird die Feinhefe aufgerührt, das führt zu einer weichen und cremigen Struktur am Gaumen. Der feinfühlige Holzeinsatz bringt hier eine weitere Dimension an Aromen von getrocknetem Gras, die sich hervorragend an die würzige Frucht anschmiegt. Der Verdejo X wird dadurch und seinem unwerfenden Schmelz zu einem Top-Essensbegleiter für kraftvolle Gerichte. Und alle, die auch so gerne üppig Chardonnay trinken, können hier getrost zugreifen.
Exkurs: Die D.O. Rueda. Der Verdejo als Zugpferd
Im Folgenden eine kleine Geschichte des Anbaugebiets Rueda. Es befindet sich in Castilla-Leon, südöstlich der Hauptstadt Valladolid. Die Denominación de Origen Rueda gibt es seit 1980 und ist somit eine der ältesten D.O.’s in Spanien. Allerdings erfolgte ihr Aufstieg zu internationaler Bekanntheit etwas später. Hier nun die Gründe warum.
Wenn man von den wenigen Rioja-Weißweinen absieht, war der etablierte Weißwein aus Spanien war eigentlich der galizische Albariño. Aber da sind die Mengen recht schnell ausgeschöpft. Das liegt an der geographischen Kleinteiligkeit Galiziens und der damit verbundenen auch kleineren durchschnittlichen Betriebsgröße, die auch historische Gründe hat. Galizien ist eines der wenigen Gebiete Spaniens in denen das Kleinbauerntum erhalten bliebt. In den weiten Ebenen Spaniens, also der kastilischen Meseta, der Mancha, in der Extremadura und in Andalusien hat sich dagegen der Großgrundbesitz als vorherrschende landwirtschaftliche Organisation durchgesetzt.
Rueda ist ein später Emporkömmling und in den 90ern kurz nach dem Hype um die Ribera del Duero zum Eldorado für Weißweine geworden. Die kalkhaltigen und sandigen Böden auf der weiten Hochebene auf 600-800 Metern eignen sich hervorragend für Weißweinrebsorten. Sehr viele Weingüter aus der Rioja und der Ribera del Duero haben hier investiert. Viele neue Weingüter sind entstanden. Ihr Aushängeschild ist der Verdejo, eine uralte Rebsorte mit einer großen stilistischen Bandbreite. Man kann Verdejo im Barrique ausbauen oder sogar einen Dessertwein keltern. Berühmt geworden ist aber der knackige, fruchtig-würzige trockene Stil ohne Holz. Und Verdejo aus Rueda ist ein einfach zu vermittelndes Begriffspaar, das auch wunderbar auf den Exportmärkten funktioniert. Ein moderner fruchtiger Allrounder für unter 10 Euro, passt sowohl zu Fisch, zu Snacks als auch als Solo-Sipper. Für den internationalen Weinmarkt ist es eine tolle spanische Alternative zum Sauvignon blanc und die Verfügbarkeit von großen Mengen ist gegeben. Mitte der 90er etablierte sich dadurch der Verdejo in ganz Spanien als der neue frische Weißwein, unkompliziert, zitrisch mit einer feinen Fenchelnote. Seit dem ist die D.O. Rueda eine Geschichte des Wachstums und der stetigen Erschließung neuer Märkte. Im Jahr 2000 betrug die Weinbergsfläche ungefähr 7000 Hektar, heute sind es knapp 20 000 Hektar. Die in Flaschen abgefüllte Produktion beträgt mittlerweile 80 – 90 Mio. Flaschen. Ungefähr 12 Mio. Flaschen davon wurden in den letzten Jahren pro Jahr exportiert. Dies entspricht etwa 15% der Produktion. Die Niederlande sind mit knapp 4,8 Mio Flaschen weltweit der größte Importeur für Flaschenweine aus der D.O. Rueda, gefolgt von Deutschland mit immerhin 2,8 Mio. Diese Zahlen zeigen, dass in Sachen Export noch sehr viel Luft nach oben ist. Aber sie zeigen auch, dass der Verdejo vor allem im Inland konsumiert wird und das ist eine sehr positive und zukunftsträchtige Entwicklung. 70-80 Mio. Flaschen in Spanien bedeuten auch, dass der Verdejo aus Rueda überall in Spanien getrunken wird. Er hat sich auf der Halbinsel als „der“ Weisswein festgesetzt und wird diese Position nicht so leicht wieder hergeben. In der Tat findet man in den Bars und Restaurants aller spanischen Städte immer einen Verdejo und das in einem Land, das wie Italien sehr regional geprägt ist in der gastronomischen Kultur. Dass der Verdejo aus Rueda zuerst den Heimatmarkt eroberte und fest verankert ist in den Köpfen der spanischen WeinliebhaberInnen, das ist die Erfolgstory. Dass gleichzeitig verschiedene Exportmärkte erschließen wurden und hier das Potenzial langsam aber stetig steigt, zeigt auf was für stabilen Füßen die D.O. Rueda steht.
Artikel: Diez Siglos – die neuen Senkrechtstarter in Rueda
Quelle: https://blog.inbarrique.de/11